Natur vor der Haustür
Bereits 2013 hatte der BN das Streuobstgebiet in Langenprozelten im Rahmen eines Glücksspiraleprojekts unter die Lupe genommen und damit den Grundstein gelegt für viele weitere Maßnahmen zur Erhaltung dieses wertvollen Gebiets. Jetzt wurden dort mit finanzieller Unterstützung des BN im Auftrag des Naturpark Spessart die xylobionten (holzbewohnenden) Käfer kartiert, die auf Lebensräume mit vielfältigen Holzstrukturen angewiesen sind.
02.10.2024
Käfervielfalt – mit Streuobst gegen das Artensterben
Das Artensterben schreitet voran und wird doch immer noch übersehen. Im aktuellen Global Risks Report 2024 sehen 1500 internationale Expertinnen und Experten den Verlust der Artenvielfalt als eines der zehn größten Risiken für die Menschheit in dieser Dekade.
Biodiversität vor der Haustür: Die Bedeutung der Streuobstwiesen
Dabei betrifft Biodiversität, genau wie der Klimawandel, uns alle. Und zwar direkt vor unserer Haustüre. Lösungen finden sich in der Stärkung von Zonen, welche Biodiversität erhalten und fördern. Eine solche sind unsere Streuobstwiesen.
Herausragende ökologische Befunde: Käferkartierungen am Zollberg
Im vergangenen Jahr wurden Kartierungen im größten Streuobstbestand in Main-Spessart, dem Zollberg bei Gemünden-Langenprozelten durchgeführt. Als „herausragend“ bezeichnet Gebietsbetreuer für Grünland Torsten Ruf die Ergebnisse von Käferspezialist Dr. Jürgen Schmidl. „Die Befunde stellen die ökologische Bedeutung von Apfelstreuobst heraus“, so Schmidl. Laut Kartierergebnis konnte am Zollberg eine „sehr hohe Zahl“ von 170 Arten xylobionter Käfer nachgewiesen werden, darunter drei Urwaldreliktarten. Xylobionte Käfer leben im Holz und sind vor allem auf Totholzstrukturen wie Mulmhöhlen, starkes Totholz, Saftflüsse und Verpilzungen angewiesen. Dr. Schmidl zählte die herausragende Anzahl von 58 Rote-Liste-Arten, was einem Anteil von 34,1% des Gesamtartenspektrums entspricht. „Ein Wert“, so Schmidl, „der nur in außergewöhnlichen Spitzenstandorten Bayerns erreicht wird.“ Knapp 1.400 Käferarten in Mitteleuropa sind an den Lebensraum Holz angepasst. Sie bauen mit ihrer Lebensweise Totholz auf natürliche Weise ab. Außerdem schaffen sie Bohrgänge und Mulm und so neuen Lebensraum für eine Besiedlung durch weitere Tiergruppen. „Holzbewohnende Käfer“, so Experte Schmidl, „zeigen uns, wie gut der ökologische Zustand der Streuobstbestände ist.“
Im Jahr 2019 wurde erstmals in Main-Spessart eine Untersuchung von holzbewohnenden Käfern in Streuobst in den „Erlichsgärten“ bei Kreuzwertheim in Auftrag gegeben. Es folgten Untersuchungen des Bereichs Mönchberg und Schmachtenberg im Landkreis Miltenberg in 2021 und zuletzt am Zollberg.
Maßnahmen zum Artenschutz: Erhaltung und Förderung von Streuobstbeständen
Um dem Verschwinden von Arten weiter entgegenzuwirken, sei es wichtig bestehende Streuobstbestände zu erhalten und neue Bäume zu pflanzen, so Projektleiter und zweiter Geschäftsführer des Naturparks Spessart Julian Bruhn. Vor allem historische Hochstamm-Apfelsorten sieht er als ökologisch unverzichtbar. Bruhn zufolge eignen sich Halbstamm- oder Spindelobstbäume mit schwachwachsender Wurzelunterlage zwar weniger gut für die Streuobstwiese, fänden dafür aber im Hausgarten Verwendung. Auch die Bewirtschaftung der Fläche zwischen den Bäumen spielt gemäß Ruf eine wichtige Rolle für den Artenreichtum. Zum Beispiel käme blühenden Hecken und artenreichem, extensiv gemähtem oder beweidetem Grünland eine hohe Bedeutung im Gesamtnetz des Lebensraums zu. Das häufige Mulchen von Flächen sei kontraproduktiv. Mit zahlreichen Projekten, wie Neupflanzungen von Streuobst und Streuobstschnitt, sowie Förderung von artenreichen Grünlandstrukturen engagiert sich der Naturpark Spessart zusammen mit seinen zahlreichen Partnern zum Erhalt der Artenvielfalt.
Bruhn bedankt sich bei der Regierung von Unterfranken für die finanzielle Förderung der Käfer-Kartierungen. Außerdem beim Markt Mönchberg, dem BUND Naturschutz Miltenberg und Main-Spessart, der Raiffeisenbank Elsavatal und der Sparkasse Miltenberg-Obernburg für die finanzielle Unterstützung.
Warum ist Biodiversität wichtig?
Gute Luft, sauberes Wasser und qualitative Böden sind von der Biodiversität unserer Erde abhängig; und für uns Menschen unerlässlich. Außerdem verstärken sich Biodiversitätsverlust und Klimawandel gegenseitig. Somit hängen auch Wetterkatastrophen unmittelbar mit dem rasant ansteigenden Verlust der Artenvielfalt zusammen.
Da lebende Organismen in dynamischen Ökosystemen interagieren, kann das Verschwinden einer Art weitreichende und unvorhersehbare Auswirkungen haben. Biodiversität ist außerdem eine existenzielle Grundlage unserer Wirtschaft. In Deutschland hängt über die Hälfte unseres Bruttoinlandsproduktes (BIP) von Artenvielfalt ab.
Text: Naturpark Spessart