Energie und Klima
neue Mobilität
Beim Versuch, eine Energiewende einzuleiten, konnten in den Sektoren Wärme und Strom durchaus Erfolge erzielt werden. Im Verkehrsbereich, der immerhin für 26% des Primärenergieverbrauchs verantwortlich ist, sind jedoch alle Bemühungen erfolgslos geblieben. Wohl wird allgemein pro Leistungseinheit inzwischen deutlich weniger Kraftstoff verbraucht als in den letzten Jahrzehnten, die Tendenz zu PS-starken Geländefahrzeugen und immer höheren Geschwindigkeiten hat jedoch die Wirkung aller Ansätze zum Energiesparen zunichte gemacht. Zwischen 1995 und 2019 ist der Endenergieverbrauch des Verkehrssektors sogar von 2614 auf 2722 Petajoule angestiegen.
Dazu kommt: Ein Ottomotor erreicht erst im Volllastbetrieb seinen nominalen Wirkungsgrad von 30 - 35%. Bei geringerer Belastung, also Geschwindigkeiten unter 50 kmh und auf ebener Strecke, sinkt er oft auf 10 %, d.h. 90% des Energieinhalts des Benzins werden als Wärme in den Abgasen freigesetzt. Im Durchschnitt liegt die Energieeffizienz eines Ottomotors bei 20%, die eines Diesels nur geringfügig höher. Keine andere Technologie geht so verschwenderisch mit unseren fossilen Primärenergieressourcen um. Die vielfach propagierten e-fuels würden wohl keine fossilien Primärenergieträger verbrauchen. Da aber schon bei ihrer Herstellung 60% der eingesetzten Energie verlorengingen, würden im Stadtverkehr von ihr ganze 4% übrigbleiben. Dies entspricht in etwa der Energieeffizienz einer sibirischen Dampflokomotive der 1950er Jahre. Tragbar wäre allenfalls der Einsatz von Bio-Kraftstoffen wie Rapsöl aus heimischer Produktion in landwirtschaftlichen Fahrzeugen, nicht aber von fälschlich als "Bio"-Diesel bezeichnetem Rapsöl-Methylester oder gar Palmöl.
Eine Verkehrswende sollte nach allgemeiner Auffassung den Schwerpunkt der Mobilität auf die öffentlichen Verkehrsmittel legen. Aber auch bei diesen zählt das Antriebssystem. Wenn Busse und Bahnen mit Dieselmotoren ganz oder großenteils leer fahren, sind sie nicht viel umwelt- und klimafreundlicher als PKWs mit Verbrennungsmotoren. In den letzten Jahrhunderten war man da einigerorts schon weiter: Die Pfälzischen Eisenbahnen entwickelten bereits 1895 Akkutriebwagen, die auch in Preußen fuhren. Akkumulatoren-Triebwagen, die auf elektrifizierten Strecken über die Oberleitungen aufgeladen werden können, werden jetzt auch wieder im Nahverkehrsverbund Schleswig-Holstein eingesetzt und sollen ab diesem Jahr die Diesel-Züge ersetzen. Ebenso sind Wasserstoff-Brennstoffzellen eine Option. Hierbei besteht jedoch, wie bei den PKWs, das Problem der geringen Energieeffizienz der Wasserstoff-Brennstoffzellentechnik und der hohen Kosten: Ein Projekt mit Wasserstoff-Bussen in Hamburg wurde deshalb wieder beendet: Ein Bus dieser Bauart kostete die Stadt 1 Million €, die gewohnten Dieselbusse dagegen nur ca. 300000 €. Der aktuelle Preis für einen Übernachtlader-Elektrobus liegt bei ca. 550.000 €. Außerdem hat "grüner" Wasserstoff noch Seltenheitswert.
Schwieriger dürfte es zudem nach wie vor werden, mehr Menschen zum Umsteigen auf die öffentlichen Verkehrsmittel zu bewegen. Auch wenn durch das 9-Euro-Ticket die Auslastung der Regionalbahnen um mehr als das Doppelte angestiegen ist, hat es die Zahl der Autofahrten nur um ca. 10% reduziert. Die meisten Autofahrer werden nur notgedrungen zum ÖPNV wechseln, etwa wenn eine teure City-Maut eingeführt wird, Parkplätze fehlen oder Sperrzonen eingerichtet werden, die eine Nutzung des ÖPNV ohnehin unumgänglich machen. Dann aber sollte der ÖPNV eine gleichwertige Alternative zum Individualverkehr darstellen, evtl. durch unkompliziert abrufbare autonome Verkehrsmittel. Einen flächendeckenden, kurz getakteten ÖPNV mit regulären Bussen und Bahnen haben die Schweizer wohl mit einen Volksentscheid durchgesetzt, müssen dafür aber auch pro Kopf das 6fache an Steuermitteln aufwenden wie die Bundesbürger. Spanien finanziert einen kostenlosen ÖPNV durch eine Übergewinnsteuer. Von einem Nachfolgemodell für das 9-Euro-Ticket sollten vor allem die Pendler profitieren. Durch den Bau neuer Straßen wird das Ziel einer Verkehrswende jedenfalls nicht erreicht.
In den Städten selbst ist der Besitz eines eigenen PKW ohnehin meist überflüssig. Die meisten Fahrten können hier mit dem Fahrrad bzw. E-Bike, für die es vielerlei Anhänger gibt, oder öffentlichen Verkehrsmitteln erledigt werden. Für gelegentliche Fahrten wird inzwischen auch im Main-Spessart-Kreis ein Car-Sharing angeboten, bei dem sich eine Gruppe von Nutzern einen kleinen Fahrzeugpark teilt. Bei älteren oder gehbehinderten Menschen erfreuen sich Seniorenmobile immer größerer Beliebtheit. Sie können durchaus beachtliche Lasten transportieren und bei Geschwindigkeiten bis zu 25 km/h auch mit den vielfach propagierten autonomen Bussen mithalten, die meist auch nicht schneller fahren dürfen.
Beim Individualverkehr ist das akkugetriebene Elektroauto wohl in seiner Energieeffizienz mit 70% - gegenüber 20% bei Verbrennungsmotoren - unschlagbar. Keine andere Technologie wurde jedoch in den letzten Jahren, auch aus politischen Gründen, so angefeindet: Die Lithiumgewinnung gefährde die Trinkwasserversorgung ganzer Provinzen in Südamerika, Kobalt würde durch Kinderarbeit gewonnen, für die Produktion eines Akkus würden 18 Tonnen Kohlendioxid freigesetzt, man müsste 180000 km fahren, um diesen ökologischen Rucksack wieder auszugleichen, es bestände hohe Brandgefahr, Recycling sei nicht möglich, das Stromnetz würde zusammenbrechen usw. usf.
Tatsache ist: Hauptlieferant von Lithium ist inzwischen Australien. Für die Herstellung von 1 kg Lithium wird in etwa so viel Trinkwasser verbraucht wie für 100 g Rindfleisch. Die führenden Akkuhersteller verwenden statt Kobalt inzwischen vorzugsweise Lithiumeisenphosphat (LFP). Bei der Produktion eines 40kWh-Akkus für einen Mittelklasse-PKW werden auf der Grundlage neuerer Berechnungen des so häufig kolportierten schwedischen IVL-Instituts im Mittel 3,2 Tonnen CO2 ausgestoßen. Diese Menge hat auch ein Benzinfahrzeug mit einem Verbrauch von 7 Litern pro 100 km nach 20000 km freigesetzt. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren geraten bei gleicher Fahrstrecke 20mal häufiger in Brand als Elektrofahrzeuge. Die Akkus können - u.a. bei der URT in Karlstadt - inzwischen zu 98% recycelt werden. Bei einer - hypothetischen - vollständigen Umstellung aller Fahrzeuge in Deutschland auf Elektroantrieb wäre, selbst wenn dieser Fall einträte, allenfalls ein Mehrbedarf von 16-17% Strom in 10 Jahren erforderlich. Völlig in Vergessenheit geraten scheint inzwischen zu sein, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren Lärm und Abgase erzeugen, worunter viele Stadtbewohner außerordentlich leiden, Elektrofahrzeuge dagegen nicht.
Wichtig wäre aber, dass der Etikettenschwindel mit Hybridfahrzeugen - meist PS-starke SUVs, die elektrisch oft gerade einmal 30 km weit kommen - beendet wird. Viele von ihnen, in der Regel Geschäftswagen, sind noch keinen einzigen Kilometer elektrisch gefahren und wurden nur als Alibi angeschafft, um möglichst kostengünstig weiter mit Verbrennungsmotoren fahren zu können. Untragbar ist auch das Chaos mit Ladestationen, bei denen zu viele Anbieter eigene RFID-Karten oder Software verlangen und dann Strom zu Wucherpreisen abgeben. Ebenso müssen auch Mieter in größeren Wohneinheiten die Möglichkeit einer Aufladung an ihrem Wohnsitz haben.
Große Hoffnungen wurden auch auf die Wasserstoff-Brennstoffzellentechnik für PKWs gesetzt. Führende Hersteller wie Volkswagen und Daimler-Benz haben sich inzwischen jedoch wieder aus dieser Technologie verabschiedet. Der eher mäßigen Energieeffizienz von 27% stehen so hohe Fertigungskosten entgegen, dass auch die einfachsten Modelle insgesamt nur selten unter 70000 € erhältlich sind, und auch in der Reichweite haben inzwischen Akkufahrzeuge gleichgezogen. Für den Schwerlastverkehr, die Schifffahrt und auch den Flugverkehr mit Propellermaschinen könnte die Wasserstoff-Brennstoffzellentechnik eine Perspektive sein, die geringe Energiedichte des Wasserstoffs erfordert jedoch sehr große und kostspielige Tanks. Ein Anhänger dieser Technologie fände im Übrigen die nächste Wasserstoff-Tankstelle erst in Biebelried. Brennstoffzellen der Zukunft könnten indessen auch mit "grünem" Ammoniak betrieben werden, der leichter handhabbar ist und eine größere Energiedichte hat.
Am sparsamsten fährt indessen, wer überhaupt nicht fährt. Es ist schwer vorstellbar, dass die Tausende von PKWs, die täglich auch die Nebenstraßen bevölkern, immer einen triftigen Grund dafür haben. Viele Fahrten im ländlichen Raum ließen sich aber schon dadurch vermeiden, dass auch kleinere Ortsschaften eine Minimal-Infrastruktur vorhalten, zumindest einen kleinen Dorfladen und eine Gaststätte, vielleicht auch eine kleine Arztpraxis in einer Sanitätsstation, bei der es reicht, wenn sie einige Stunden in der Woche besetzt ist. Gerade im Umfeld der ehemaligen Kreisstädte des Main-Spessart-Kreises ist aber diesbezüglich noch sehr viel Luft nach oben.
Bearbeitet: H. Haas-Hyronimus