Energie und Klima
Speichertechnologien
Die erneuerbaren Primärenergieträger Sonne und Wind, sind wohl unbegrenzt verfügbar, haben aber den Nachteil, dass nicht immer der Wind weht oder die Sonne scheint. Vor allem im Winter kommt es öfters zu erheblichen Energiedefiziten. In einer auf fossile Primärenergieträger ausgerichteten Wirtschaft bedeutete dies noch kein großes Problem, weil Deutschland ja über Gasspeicher verfügt, die das Land für mehrere Monate versorgen können und Kohle oder Uran ohnehin ohne großen technischen Aufwand gelagert werden können. Mit dem sich abzeichnenden Ende der Erdgaswirtschaft werden aber Methoden notwendig, die auch erneuerbare Energien speicherbar machen.
Traditionell spielten hier Wasserspeicher die bedeutendste Rolle, weil Batteriespeicher - vor allem Bleiakkus - zu kostspielig waren und zu wenig Kapazität vorhalten konnten. Mit dem Pumpspeicherwerk Langenprozelten verfügt der Landkreis Main-Spessart über einen der bedeutendsten Energiespeicher Deutschlands: Mit einer Turbinenleistung von 164 MW - dies entspricht etwa einem Achtel der Leistung des ehem. KKW Grafenrheinfeld - und einem Energiespeichervermögen von 950 MWh könnte dieser Speicher immerhin einen Stromausfall von 10 Stunden im Landkreis Main-Spessart überbrücken. Er versorgt das Netz der Bundesbahn tagsüber mit Strom und bezieht ihn nachts u.a. aus den Laufwasserkraftwerken am Main. Mit einer Leistung von 1060 MW und einer maximal speicherbaren Elektroenergiemenge von 8,5 GWh ist das Pumpspeicherkraftwerk Goldisthal im Thüringer Wald das größte Wasserkraftwerk Deutschlands. Allein der Anblick des monströsen Speicherbeckens von einem Nachbarort aus müsste jedoch schon dem Beobachter zeigen, dass sich eine derartige Umweltsünde nicht wiederholen darf. Mit einer Ausweitung der Wasserspeicher-Kapazitäten ist so in Deutschland nicht zu rechnen. Auch die Kalkulation, Speicherseen in Norwegen zu nutzen und über Höchstspannungs-Gleichstromleitungen (Nord-/Südlink) in unsere Region zu transportieren hat den Schwachpunkt, dass vorerst Norwegen Zugriff auf diese Speicher hat und in europaweit sonnen- und windarmen Jahren wie 2021 vorrangig seinen eigenen Energiebedarf decken wird.
Batteriespeicher haben mittlerweile jedoch durch die Lithiumionen-Technik eine fulminante Renaissance erfahren und die Kombination von Photovoltaik-Freiflächenanlagen mit derartigen Speichern kann inzwischen die Stromgestehungskosten von Gaskraftwerken deutlich unterbieten. Das weltgrößte auf Lithium-Ionen-Basis beruhende Batterie-Speicherkraftwerk der Welt in Hornsdale/ Australien verfügte 2017 über eine Leistung von 100 MW und eine Kapazität von 129 MWh. Das Projekt wurde 2020 um zusätzliche 50 MW und 64,5 MWh erweitert, so dass die Hornsdale Power Reserve nun eine Leistung von 150 MW hat. Die Diskussionen um Lithium und Kobalt in den Akkus von Elektrofahrzeugen greifen hier nicht, weil Australien selbst inzwischen der weltweit größte Lithium-Lieferant ist, der Wasserverbrauch bei der Gewinnung aus Gestein nicht - wie etwa in Chile - zu Problemen mit der Grundwasserversorgung führt und Kobalt, das wegen der Arbeits-bedingungen im Kongo ins Gerede gekommen ist, nicht benötigt wird. Ein Problem ist sicher noch die Brandgefahr, die aber bei der Verwendung von Festkörperakkus nicht mehr bestehen dürfte. Kleinräumig dürften künftig auch Speicher in privaten Haushalten mit PV-Anlagen eine immer größere Rolle spielen, die allerdings mit ca. 1000 €/kWh noch sehr teuer sind. Die Ideallösung wäre die Nutzung von Elektrofahrzeug-Akkus als Stromspeicher, die das 10fache an Speicherkapazität ohne Mehrkosten bereitstellen könnten, aber aus rechtlichen - nicht technischen - Gründen in Deutschland nicht möglich ist. Viele der ausgemusterten Akkus von Elektrofahrzeugen erfahren aber inzwischen schon ein "second life" als Speicher für PV-Anlagen und Windparks.
Eine erhebliche Ausweitung der Kapazitäten, die bei Großanlagen mit Lithiumionentechnik meist nur auf einige Stunden begrenzt ist, ermöglichen Redox-Flow-Systeme, bei denen Flüssigkeiten, meist gelöste Vanadiumsalze in verschiedenen Oxidationsstufen, als Elektroden fungieren. Diese Salzlösungen können, getrennt voneinander, unbegrenzte Zeit und in beliebigen Mengen ohne Blindstromverluste gelagert werden. Die meisten Redox-Flow-Batterien besitzen eine vergleichbare Energiedichte wie Blei-Säure-Batterien, jedoch bei einem Mehrfachen deren Lebensdauer. Die größte Batterie Deutschlands steht auf dem Gelände des Fraunhofer Instituts für Chemische Technologie ICT in Pfinztal-Berghausen. 650.000 Liter Elektrolyte stehen dem Projekt aktuell bereit, um bis zu 20 Megawattstunden Windstrom zu speichern. Das ökologisch problematische und teure Schwermetall Vanadium konnte in einigen Pilotprojekten inzwischen durch organische Komponenten ersetzt werden, die beispielsweise aus Abfallstoffen bei der Zellstoffgewinnung gewonnen werden und so unbegrenzt und auch preisgünstig zur Verfügung stehen. In ersten Tests an der Universität Graz zeigte eine solche Redox-Flow-Batterie mit einem aus technischem Vanillin gewonnen Elektrolyten eine Effizienz von 97 bis 99 Prozent und behielt diese auch nach 250 Ladezyklen bei. Die CMblu Energy AG in Alzenau hat unlängst den Prototyp einer solchen "Organic Solid-Flow Batterie" in der br-Frankenschau der Öffentlichkeit vorgestellt. Der Verkauf von Serienbatterien dieses Systems ist lt. Nachricht des Herstellers ab Mitte 2023 vorgesehen. Adressaten sind kommerzielle / industrielle Kunden ab einer Anlagengröße von 500 kW.
Batteriespeicher können in der Regel wohl nur Stromausfälle von einigen Stunden, bestenfalls Tagen, auffangen. Die gefürchteten "Dunkelflauten" treten allerdings auch nur an 2-3 Tagen im Jahr auf und können meist durch die Flexibilität der europischen Netze aufgefangen werden, die man sich wie eine große Kupferplatte vorstellen muss, in der sich der Strom verteilt. Für längere energiearme Perioden muss in der Regel auf die deutschen Erdgasspeicher zugegriffen werden, die auch Heizenergie für die gesamte Winterperiode bereitstellen können. Erdgas sollte - nicht zuletzt aufgrund der derzeitigen Energiekrise - so weit wie möglich durch Wasserstoff und Biomethan aus Biogasanlagen ergänzt und letztendlich auch ersetzt werden. Aus Biogas und Wasserstoff lässt sich mit Katalysatoren fast reines Methan produzieren, das leichter handhabbar und besser speicherbar ist als Wasserstoff selbst. Auch das leichter zu verdichtende und weniger flüchtige Ammoniak könnte ein Energieträger der Zukunft sein: Das klassische Haber-Bosch-Verfahren benötigt wohl sehr viel Energie und nutzt Erdgas und Kohle als Ausgangsstoffe zur Stickstoff- und Wasserstoffgewinnung. Neuere Verfahren mit Ruthenium- oder Molybdän-Katalysatoren erzeugen Ammoniak jedoch aus Luftstickstoff und Wasser mit wesentlich geringerem Energieaufwand und kleineren, kostengünstigeren Apparaturen. Zur Erinnerung: Bereits im 19. Jahrhundert wurden die Straßenbahnen in New Orleans mit Ammoniak betrieben und in den 1940er Jahren fuhren damit in Belgien die Busse. Ebenso können Blockheizkraftwerke mit "grünem" Ammoniak betrieben werden.
Als Wärmespeicher sind die Potenziale für oberflächennahe Geothermie bei weitem noch nicht ausgeschöpft, insbesondere im Zusammenspiel mit Wärmepumpen. Im Betriebsgebäude der Stadtwerke Lohr z.B. werden 102 statisch notwendige Betonpfähle im Untergrund zur Energiegewinnung genutzt. Die Heizwärme aus den Energiepfählen wird mittels Pumpen in das Gebäude transportiert und über Leitungen in den Fußböden und Decken dann an die Umgebung abgegeben. In den Zwischenwänden nehmen Acrylglaskugeln durch Verflüssigung Wärme auf und geben sie bei Abkühlung wieder ab. Aufgrund der hocheffizienten Bauweise wurde das Stadtwerkegebäude mit 13 weiteren Projekten bundesweit als "Modellvorhaben für energieeffizienten Neubau von Nichtwohngebäuden kommunaler und sozialer Einrichtungen" ausgewählt.
Und der beste Wärmespeicher für einen Privathaushalt ist immer noch ein gut isoliertes Haus.
Bearbeitet: H. Haas-Hyronimus