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Energiewende in Bayern: Landkreis Main-Spessart macht Fortschritte nur bei den Privathaushalten

Der BUND Naturschutz hat die Versorgung mit erneuerbaren Energien auf regionaler Ebene untersucht und große Unterschiede zwischen den Regionen festgestellt. Besonders die Großstädte und einige ländliche Regionen hinken hinterher. Der Landkreis Main-Spessart befindet sich dabei mit einem Anteil von 59% EE-Strom am Gesamtstromverbrauch im oberen Mittelfeld.

14.12.2022

Bei näherer Betrachtung der auf Kreisebene erhobenen Daten zeigt sich jedoch: Auch im Main-Spessart-Kreis stagniert die Energiewende, vor allem im industriellen Sektor. In den Privathaushalten wären viele Bürger bereit zum Einbau einer Photovoltaikanlage, müssen aber oft allein auf einen Wechselrichter bis zu 8 Monate warten. Für Windkraft-Vorranggebiete ist die 10h-Regelung weggefallen. Nach wie vor sind aber die Träger mit Rechtsstreitigkeiten, gezielten Desinformationskampagnen und in der Folge verunsicherten, oft auch unwilligen Entscheidungsträgern konfrontiert.

Bei Wind- und Solarstrom ist der Landkreis wohl im bayernweiten Vergleich gut aufgestellt. Weiterhin besteht aber das Problem, dass beide volatil sind und durch Speicher ergänzt werden müssen. Hier gibt es wohl vielversprechende Neuentwicklungen wie die Organischen Solid-Flow Energiespeicher made in Alzenau, die aber nicht vor 2025 zur Verfügung stehen. Die Akkus von Elektrofahrzeugen könnten als Speicher verwendet werden und auch wesentlich höhere Kapazitäten vorhalten als die meisten handelsüblichen Stromspeicher. Ihr Einsatz wird jedoch von den Energieversorgern blockiert. 

Das größte Problem ist derzeit ohnehin die Erdgasknappheit bei der Wärmeversorgung. Hier dürfte sich kurzfristig keine klimafreundliche Lösung abzeichnen, solange nicht ein Weg gefunden ist,  Wasserstoff in größerem Umfang einzusetzen. Der Austausch von Gas- und Ölheizungen durch Wärmepumpen dürfte indessen noch viele Jahre in Anspruch nehmen.

Die Kreisgruppe des BUND Naturschutz sieht jedoch Möglichkeiten, auch auf lokaler Ebene die Energiewende zeitnah voranzutreiben. Als ersten Schritt empfiehlt sie die Gründung von Bürgergenossenschaften nach dem Vorbild der Landkreise  Hassberge und Kitzingen. Dort erhalten interessierte Bürger/innen aus dem Landkreis und ggf. auch mittelständische Kleinbetriebe die Möglichkeit, sich aktiv an einer umweltfreundlichen Energiegewinnung und an der Erzeugung von Strom für die Region zu beteiligen. In Hassfurt wird bereits mit überschüssigem Windstrom Wasserstoff erzeugt, der zu einem Teil ins Erdgasnetz eingespeist wird und auch eine nahegelegene Mälzerei mit Wärmeenergie versorgt.

Kurzfristig umzusetzen wäre auch die Einspeisung von Strom aus Elektrofahrzeugen mit bidirektionalen Ladesystemen. Technisch wäre sie schon längere Zeit möglich, sie müsste nur von den lokalen Energieversorgern auch zugelassen werden. Für Hausbesitzer, die den kompletten Austausch ihrer Heizungsanlage scheuen, wäre auch die Installation einer Klimaanlage für einzelne Räume ein gangbarer Weg. Für sie würde, zumindest in den Übergangszeiten, auch der Strom aus einer Photovoltaik-Anlage meistens ausreichen.

Bei den Biogasanlagen sollte grundsätzlich auch die Abwärme genutzt werden. Dienten sie nur der Stromversorgung, könnte mit Photovoltaik die gleiche Menge elektrischer Energie auf einem Vierzigstel der Fläche für den Anbau der Substrate erzeugt werden. Mit dem optionalen Einsatz von Biogas in Blockheizkraftwerken könnten zumindest zeitweise nicht nur einzelne Ortschaften, sondern selbst ganze Stadtviertel mit Wärme und Strom versorgt werden. Wie bereits in der Stadt Aschaffenburg praktiziert, sollte auch im Main-Spessart-Kreis der Einbau von Blockheizkraftwerken in Privathäuser  gefördert werden. Für Hallenbäder und unzureichend gedämmte öffentliche Gebäude ist eine derartige Kraft-Wärmekopplung grundsätzlich in Betracht zu ziehen.

Vorrangig in Privathaushalten sollte natürlich die Einsparung von Energie, vor allem durch eine an-gemessene Wärmedämmung sein. Wo sich diese als zu kostspielig erweist, sollten zumindest Schwachstellen wie Kältebrücken und Stromverschwender unter fachkundiger Anleitung beseitigt werden. Größere Gebäudekomplexe sollten auch die Abwasserwärme nutzen: Die dort enthaltene Energie kann in Deutschland rechnerisch 14 Prozent des Wärmebedarfs im Gebäudesektor abdecken.

Die Situation im Main-Spessartkreis ist wegen der hier angesiedelten energieintensiven Betriebe wie den Zementwerken, Gerresheimer oder Rexroth zugegebenermaßen schwierig. Aber auch von diesen Unternehmen müsste verlangt werden, dass sie ihren Beitrag zur Energiewende leisten. In-novationen im Energiebereich sind auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht unumgänglich, um im internationalen Vergleich nicht zurückzufallen. Bei energieintensiven Produktionen auf der Basis fossiler Energieträger könnten deutsche Unternehmen auch langfristig niemals mit chinesischen konkurrieren.

Hartmut Haas-Hyronimus, Ansprechpartner für den Bereich Energie und Umweltschutz