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Natur vor der Haustüre



Biosphärengebiet Spessart

Vor gut einem Jahr beschlossen die Kreistage der drei bayerischen Spessart-Landkreise, sowie die Stadt Aschaffenburg einstimmig, eine Machbarkeitsstudie in Auftrag zu geben, mit der die Chancen ausgelotet werden sollen, dass die Region bayerischer Spessart das UNESCO-Prädikat „Biosphärenreservat“ verliehen bekommt.

„Biosphärenreservat“ ist ein etwas irreführender Begriff, deshalb bevorzugen wir „Biosphärengebiet“.

Diese Studie wird Ende 2023 ihren Abschluss finden. Die Öffentlichkeit war von Anfang an intensiv eingebunden. Und da haben sich die vier Gebietskörperschaften wirklich viel einfallen lassen: Es gab eine ganze Reihe von Informationsveranstaltungen und Workshops. Eine eigene Webseite wurde eingerichtet, wo alle diese Informationen zusammengetragen sind (1). Manche fürchten sich jedoch regelrecht vor einem Biosphärengebiet Spessart, während andere darin eine Chance sehen, unsere Region aufzuwerten. Die meisten Mitbürger haben wohl noch gar keine Haltung dazu, weil das Thema komplex ist und sie sich noch wenig damit befasst haben.

Der Autor: Bernd Kempf

Dr. Bernd Kempf ist seit vielen Jahrzehnten ehrenamtlich im Naturschutz engagiert. Er ist Mitglied im Vorstand der Kreisgruppe Miltenberg und Vorsitzender der „Bürgerbewegung Freunde des Spessarts e.V“.

Modellregion Spessart?

Ein Biosphärengebiet ist „eine von der UNESCO initiierte Modellregion, in der nachhaltige Entwicklung in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht exemplarisch verwirklicht werden soll“ (2). Dabei steht der Mensch und sein wirtschaftliches Handeln im Mittelpunkt. Basis ist die Erkenntnis, dass der Mensch Teil der Natur ist und nicht über ihr steht.

Bisher wirtschaften wir weltweit in einem Stil, der unsere Lebensgrundlagen mehr und mehr  beschädigt. Aber wie macht man es besser? Dazu gibt es keine fertigen Lösungen, schon gar keine, die überall auf Akzeptanz stoßen. Also ist es eine gute Idee der UNESCO, Modellregionen zu  definieren und zu fördern, in denen das Zusammenleben von Mensch und Umwelt optimiert wird. Es ist eine Ehre, von der UNESCO dafür ausgewählt zu werden.

Da das Zusammenleben mit der Natur auf der ganzen Welt verbesserungsbedürftig ist, macht es auch Sinn, dieses Programm weltweit zu verfolgen. Insgesamt ist der Titel bisher 727 Regionen in 131 Ländern verliehen worden (Stand 9/2021). In Deutschland gibt es aktuell 16 von der UNESCO  anerkannte Biosphärengebiete (3). Die Kriterien für dieses Prädikat sind von der UNESCO soweit wie möglich weltweit einheitlich definiert. Aber die Definition ist nicht statisch, sondern passt sich den wachsenden Erkenntnissen an.

Die drei Zonen eines Biosphärengebietes

Biosphärengebiete sind – international einheitlich – in drei Zonen gegliedert. Die drei Kreise entsprechen dem jeweiligen Flächenanteil

Kernzonen dienen dem langfristigen Naturschutz (mindestens 3 % Flächenanteil)

Pflegezonen für schonende, naturnahe, kulturhistorische Landnutzung (mindestens 10 %, wobei Kern- und Pflegezonen zusammen 20 % erreichen müssen)

• In Entwicklungszonen geht es darum, mit Modellprojekten die nachhaltige Bewirtschaftung von Ressourcen zu fördern (mindestens 50 %)

Dadurch sollen folgende Leitziele erreicht werden:

• Erhaltung der natürlichen Artenvielfalt und der kulturellen Vielfalt

• Modell für die Landbewirtschaftung und für Ansätze der nachhaltigen Entwicklung

• Forschung, Umweltbeobachtung, Bildung

Ein Biosphärengebiet ist also nicht für den Naturschutz da, sondern in weit größerem Maße dafür, das Wirtschaften der Menschen für eine schonende Nutzung der Ressourcen zu optimieren und den Bezug zur Kulturgeschichte des Gebietes herauszuarbeiten. Es schafft eine Basis und eine Struktur, mit der man viel bewegen kann. Wieviel, das hängt vom Engagement der Bewohner ab.

Das Biosphärengebiet bietet vor allem Chancen für die Gemeinden. Es gibt umfangreiche Fördermöglichkeiten für die nachhaltige Nutzung und die Landbewirtschaftung. Gemeinden können wieder zusammenrücken und als Gemeinschaft agieren. Gaststätten hätten vielleicht wieder Chancen und mehr von unserem Holz würde in der Region bleiben. In Zeiten des Klimawandels, der Wasserknappheit und des Rückgangs der Artenvielfalt gibt es sicher viele gute Ideen. Freuen wir uns darauf, dass der Spessart hier zum Vorreiter werden kann!

Der Spessart ist besonders geeignet

Warum kommt der Spessart dafür infrage?

• Er ist ein klar abgegrenzter, einheitlicher Naturraum – Wald- und Kulturlandschaft, umrahmt von den Flüssen Main, Kinzig und Sinn,

• mit hochwertigen Buchen-Eichenmischwäldern,

• mit noch lebendigen historischen Landnutzungen, wie Streuobst und Weinbau, und einer reichen Kulturgeschichte, die durch das archäologische Spessartprojekt schon gut dokumentiert ist.

• Der Spessart liegt im Herzen Deutschlands, nah an der Rhein-Main-Metropolregion und weiteren Industrieregionen. Er ist damit ein idealer Kandidat als Vorzeigeprojekt für sanften Tourismus.

Doch die laufende Diskussion konzentriert sich auf die gerade mal 3 % Kernzone. Dagegen scheint sich kaum jemand Gedanken zu machen, was man Positives auf den übrigen 97 % bewegen könnte. Es gibt ein paar Gegner, denen bereits 3% Kernzonen zu viel sind – wohl die gleiche Personengruppe, die bereits den Nationalpark verhindert hat, weil man partout den kompletten Spessartwald wirtschaftlich nutzen will. Es kann aber nicht sein, dass wir drängende Probleme des Klimawandels und des Artensterbens deshalb nicht anpacken können. Hier ist die Politik gefragt.

Die Situation ist deshalb so schwierig, weil der Spessart bisher beim Naturschutz so stiefmütterlich behandelt wurde. Dem Verlust an Artenvielfalt kann nur begegnet werden, indem ein Mindestanteil des Lebensraumes der Natur überlassen wird. Darüber herrscht bei Wissenschaftlern weitgehend Einigkeit. Auch die Staatsregierung hat in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben, dass mindestens 10 % der Staatswaldfläche als Naturwald ausgewiesen wird.

Spessart bei Naturwaldflächen benachteiligt

Das ist inzwischen passiert, aber diese Fläche ist in Bayern sehr ungleich verteilt. Im Spessart sind von 42 000 ha Staatwald nur ca. 2 000 ha als Naturwald ausgewiesen – zerstückelt in fast 300 Einzelflächen (4). Das sind aber nur 5 %! Tatsächlich findet sich der meiste Naturwald im Alpenraum: Latschenkieferbestände in Hochgebirgslagen sind aber ohnehin kaum wirtschaftlich nutzbar. Warum hat ausgerechnet der Spessart so wenig Naturwald abbekommen?

Unser „4 + 1 Lösungsansatz“

Die bisher meist diskutierte Flächenkulisse für ein Biosphärengebiet ist der heutige Naturpark Bayerischer Spessart mit 170 000 ha Fläche. An Kernzonen bräuchte man also mindestens 5 100 ha. Würden im Staatswald 10 % aus der Nutzung genommen, käme man auf ca. 4 200 ha. Die restlichen 1 000 ha könnten die Kommunen einbringen. Beispiele im Kommunalwald gibt es schon. Dies schafft Identifikation bei den Bürgerinnen und Bürgern: „unser Naturwald“ – „unsere Kernzone für das Biosphärenreservat“. 4 + 1 = 4 000 ha + 1 000 ha und diese Hürde auf dem Weg zum  Biosphärengebiet wäre genommen. Packen wir es an!

  1. Online-Plattform für die Machbarkeitsstudie Biosphärenregion Spessart (biosphaere-spessart.de)
  2. Biosphärenreservat – Wikipedia
  3. Die 16 Biosphärenreservate in Deutschland (ferngeweht.de)
  4. Umfrage zeigt: Bayern wollen mehr Naturwald – der Spessart hat großen Nachholbedarf – Freunde des Spessarts (freunde-des-spessarts.de)
  5. https://v.bayern.de/ySJPN